Weltschmerz an Linsen

Da stehe ich also im Biomarkt vor dem Regal mit den Hülsenfrüchten und freue mich. Endlich! Endlich gibt’s Linsen im Mehrweg-Pfandglas. Jahrelang bin ich meinem Umfeld in den Ohren gelegen mit der Idee, einfach für ALLE Lebensmittel statt Plastikverpackungen, Mehrweg-Pfandgläser zu nehmen. Anscheinend hatte da jemand (in meine Fall diese Leute hier) die gleiche Idee und statt sein Umfeld damit vollzunölen, setzte dieser jemand das zu meinem Glück auch um.

Ich will schon zugreifen, da fällt mein Blick auf den Preis. Moment, waren Linsen schon immer so teuer? Also das ist schon happig – selbst ohne Pfand. Die in Plastik nebendran sind deutlich günstiger – obwohl ebenfalls Bio.

Und dann – unvermittelt – packt mich ein riesiger Weltschmerz im Genick und beugt sich zu mir herunter. „Wir werden das nie schaffen“, raunt er in mein Ohr und fügt hinzu: „Es wird alles den Bach runter gehen.“

Klar: Erst die Pandemie, dann die Inflation, jetzt auch noch Krieg. Das sind ja gleich 3 Dinge auf einmal… nein, vier! Denn die Klimakrise hat sich nicht in Luftsauerstoff aufgelöst. Sie ist noch da und geht nicht weg. Und wir waren schonmal weiter. Ja, dachte ich mir noch vor 2 Jahren, Umwelt- und Klimaschutz kostet. Kein Umweltschutz kostet mehr. Also griff ich auch mal beherzt zu überteuerten Unverpacktprodukten und klugscheißerte herum, dass Benzin ja viel zu günstig sei. Erdgas hatte ich ehrlicherweise nicht so auf dem Schirm. Da müssen wir raus, wusste ich. Aber wie? Egal. Koste es, was es wolle.

Jetzt zögere ich, nach den teuren Linsen zu greifen. „Die Inflation wird dir all dein Geld nehmen“, flüstert der Weltschmerz. „Dann ist es wohl besser, ich hau jetzt gleich alles auf den Kopf“, antworte ich. Aber es klingt zynisch.

In der Ukraine sitzen Menschen in Kellern, ohne Strom und Wasser – alles was sie haben ist Angst. Diese Menschen standen vielleicht vor ein paar Monaten auch vor einem Regal mit Linsen und griffen zu, ohne auf den Preis zu achten. Im Glauben, dass ihre Welt für immer so bleibt, wie sie ist. Jetzt ist ihre Welt ganz anders. Zerstört. Und bei uns? Wir hamstern Mehl und Salatöl und (warum, verd…. nochmal, warum auch immer) wieder Klopapier. Hauptsache in der Krise nen sauberen Arsch, oder so.

„Plastik kann man schließlich gut recyclen“, lüge ich mir in die Tasche und greife nach den günstigeren Linsen. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, ergänze ich und klinge wie meine Oma, die im Gegensatz zu mir sehrwohl wusste, was Not ist. Aber ich weiß nicht, welche Not kommen wird. Oder ich ahne es und kann mir aber nicht vorstellen, wie es wirklich sein könnte.

Am Abend desselben Tages buche ich übrigens eine langersehnte Urlaubsreise.

Ja, mit dem Flieger. Ja, trotz Pandemie. Trotz Inflation. Trotz Krieg, Trotz Klimakrise.

Und nein, ich habe nicht ausgerechnet, wieviel Linsen im Pfandglas ich dafür kaufen könnte.

Mein Weltschmerz rollt sich vor Lachen auf dem Boden. „Es wird alles den Bach runter gehen“, murmle ich und koche Linsen.

kleinere Osterbrötchen

Ich befürchte, heuer bekomme ich Ostern nicht gebacken. Und dabei ist Ostern von den kirchlichen Feiertagen mein allerliebster. Ein triumphales Fest. Der Sieg der Liebe über den Tod. Ein Tag der tiefen Freude, (fast noch) ohne den ganzen Kommerzscheiß, der Weihnachten so verklebt. Ostern lässt – zugegeben, nicht zuletzt wegen der sagenhaften Dramaturgie – mein Herz aufgehen und mich wenigstens einmal im Jahr eine kleine christliche Flamme spüren, die sonst eher so versteckt vor sich hinglimmt.

Aber ich bin mir ganz und gar nicht sicher, ob das dieses Jahr wieder so klappt. Denn ich habe das Gefühl, abgestumpft zu sein. Taub von diesen negativen Geschehnissen in unserem Land, in unserer Welt. Dumpfer Weltschmerz. Mit Plastik vermüllte Meere, mit Abgasen verpestete Luft, gequälte Menschen, gequälte Tiere, Kolonialismus, Lobbyismus, Neoliberalismus, religiöser Fanatismus, Rassismus… Die Liste ist endlos und alles hängt irgendwie zusammen. Das ist zu viel für mich Einzelne. Ich mache mich taub. Manche würden vielleicht sagen, ich werde endlich erwachsen.

Ich höre mit schwindendem Interesse, wie unsere Regierenden – allen voran die aus den sogenannten christlichen Parteien – von Lagern reden, von Verschärfungen, von Polizisten mit Handgranaten. Ich sehe im Fernsehen, dass in den USA immer noch Kinder sterben, weil sich jeder dahergelaufene Vollpfosten eine Waffe kaufen darf und schüttle nur den Kopf. Ich lese im Internet wieder und wieder über ertrunkene Menschen im Mittelmeer und ertappe mich dabei, wie ich resigniert die Hände sinken lasse, weil ich mit meinen bescheidenen Mitteln ja doch nichts ändern kann.

Keine noch so hell leuchtende Osterflamme kann daran etwas ändern, oder? Oder doch? Geht es an Ostern nicht genau darum zu zeigen, dass das Licht immer stärker ist als die Dunkelheit?

Vielleicht ist es heuer bei mir nicht der große, pompöse Triumph der Liebe. Vielleicht muss ich kleinere Osterbrötchen backen. Ich versuche es mal mit einem Fünkchen Hoffnung. Hoffnung darauf, dass wir es vielleicht doch noch hinkriegen werden, wenn wir nur wollen. Und dass wir alle gemeinsam (wenn ich es schaffe diesen Funken überspringen zu lassen) doch ein loderndes, großes Osterfeuer daraus machen können.

Also ich mach mich jetzt auf die Suche nach diesem Funken. Wäre schön, wenn ihr mitkommt. Liebe ist immer stärker. Let love rule.

Osterblog 2018