Zufallsthema, Teil1: Faschisten im Kopf

Was fange ich nun damit an?

Als kreative Übung habe ich wahllos Begriffe zusammengestellt, um darüber zu schreiben. Die Kombination „Faschisten im Kopf“ macht den Anfang.

„Faschisten hören niemals auf, Faschisten zu sein, man diskutiert mit ihnen nicht, hat die Geschichte gezeigt“, singt Danger Dan in „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Und ich bekomme seit dem 25.September 2022 dieses Ohrwurm-Bruchstück nicht aus meinem Kopf.

Am 25.September haben die Italiener*innen die (Post-)Faschistin Giorgia Meloni an die Macht gewählt. Ich halte es bewusst so simpel, weil es so in seiner ganzen Schrecklichkeit vielleicht doch noch dem ein oder anderen bewusst wird.

Eine Frau, die nach eigener Aussage schon „rechts geboren“ wurde.

Eine Frau, die nach eigener Aussage ein entspanntes Verhältnis zum Faschismus hat.

Hier eine Definition aus dem Oxford-Wörterbuch

Eine Frau, die gegen queere Menschen und gegen Migranten hetzt. (Quelle, zum Beispiel hier)

„Italien zuerst“ – soso.

Ihr enger Vertrauter Ignazio La Russa wird Senatschef. Ein Mann, der Bilder und Statuen des Faschismus-Begründers und Diktators Benito Mussolini zu Hause rumstehen hat. (Man stelle sich mal vor, in Deutschland würde die Person mit dem zweithöchsten Amt im Staat freudig seine NS-Devotionalien und Hitler-Statuen zeigen und den Menschen in der Pandemie statt eines Handschlags den Hitlergruß empfehlen…) (gerne auch hier nachlesen)

Von ihren Koalitionspartnern Salvini und Berlusconi – ach, mir wird schon schlecht, wenn ich an die beiden nur denke – ganz zu schweigen.

Die Mehrheit der Italiener*innen hat diese Leute an die Macht gewählt. Was sagt das über die Italiener*innen aus?

Ich finde: Wer Faschist*innen wählt, ist entweder sehr sehr dumm – oder selbst Faschist*in. Etwas anderes lasse ich nicht gelten. Nicht in diesem Fall. Kein „die Menschen fühlen sich abgehängt und wollen der bisherigen Regierung und/oder der EU nur einen Denkzettel verpassen“ oder „die sind auf ihre bürgerliche Fassade reingefallen“. Frau Meloni hat nie einen Hehl daraus gemacht, wer sie ist und was sie denkt. Sie ist keine Wölfin im Schafspelz. Die Menschen haben bewusst die Wölfin gewählt. Ich finde das abstoßend. Keine Italienurlaube mehr demnächst. Denen gebe ich kein Geld mehr für überteuertes Eis in Florenz. (Ich weiß, wie armselig sich das liest)

„Aber halt“, meldet sich dann der Teil meines Hirns, der sich von der Tatsache, dass die Italiener*innen diese rechtsradikalen …äh… Personen gewählt haben, nicht völlig aus der Fassung hat bringen lassen. „Bestimmt sind nicht alle Italiener*innen so. Die Mehrheit wollte das doch sicher nicht.“ Äh… doch. Die rechten Parteien haben die Mehrheit der Wählerstimmen. Aber zur Sicherheit schmeiße ich mich ins Internet. „Bella ciao“, diese antifaschistische Partisanenhymne, müsste doch jetzt die Sozialen Medien dominieren (zur Abwechslung nach dessen Verwendung bei Querdenker-Protesten mal wieder mit Sinn). Wann, wenn nicht jetzt, wäre „bella ciao“ angebrachter?

Ich tippe und suche und finde – nichts. Keine Berichte oder Videos von Italienern, die auf den Straßen oder in Kirchen oder im heimischen Wohnzimmer ihren Widerstand singend kundtun. Das aktuellste Video zum Suchbegriff „bella ciao“ auf YouTube, ist das einer Iranerin. Sie singt zur Meldodie des italienischen Partisanen-Klassikers einen anderen Text. Gegen die Unterdrückung der Frauen/Menschen im Iran (ich möchte hier anfügen, wie mutig und berührend ich das finde. #frauenlebenfreiheit!).

Aber die Italiener? Nichts, das in meine antifaschistische Blase gespült worden wäre. Und im Rest von Europa? Ich lese, Bundeskanzler Scholz hätte zum Amtsantritt gratuliert und die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen freue sich auf eine „konstruktive Zusammenarbeit“. Im Europamagazin der ARD heißt es, Meloni versuche jetzt, gemäßigt zu wirken. Die Wölfin versucht sich also einen Schafspelz anzuziehen und hier alle so: „Mei, die Meloni, das ist doch nur ein Schäfchen.“ Nein!

FASCHISTEN HÖREN NIEMALS AUF, FASCHISTEN ZU SEIN!

FASCHISTEN HÖREN NIEMALS AUF, FASCHISTEN ZU SEIN!

FASCHISTEN HÖREN NIEMALS AUF, FASCHISTEN ZU SEIN!

Versifft

Zu seinen wilden Zeiten, fuhr mein Mann ein Auto, das über und über mit Aufklebern bedeckt war – an den Stellen, an denen man nicht nach draußen sehen musste, versteht sich. Es wird gemunkelt, dass dieses Auto nur durch diese Aufkleber zusammengehalten wurde – hätte man einen entfernt: Totalschaden. Aufkleber für den Zusammenhalt.

Mittlerweile fährt mein Mann ein unbeklebtes Auto – ist dabei aber selbstverständlich noch wild (hallo Schatz!) – dafür zieht etwas anderes Aufkleber, Flugblätter und Plakate magisch an: Mein Laden.

2014 kam das erste kleine Schild in die Tür. „Refugees welcome“ und „réfugiés sont bienvenus“ stand darauf (ersetzt durch ein „Kelheim ist bunt. Refugees are welcome“ vor einem Jahr). Hinzu kamen die welcome-Feder, ein Aufkleber der GRÜNEN, einer von ProAsyl und einer für Integration und Inklusion. Ein offener Brief mit dem Thema „Integration statt Abschiebung“ hängt über dem Plakat mit dem Aufruf zur Demo und im Schaufenster werbe ich um eine Spende für die Flüchtlingshilfe.

Derzeit ist mein Laden so vollgeklebt und vollgehangen, dass es selbt dem arglos vorbeieilenden Passanten sofort ins Gesicht springen muss: Das hier ist der Platz eines „linksgrünversifften Gutmenschen“. Tritt ein – woher du auch immer kommst – kauf Keramik oder Holzsachen ein und lass am besten auch noch ein paar Euro für die Flüchtlingshilfe da.

Ich finde das eigentlich ganz gut so. Doch neulich kam eine Kundin – zufälligerweise engagiert in der Flüchtlingshilfe Landshut – die mir zu so viel Mut gratulierte. „Wir brauchen das. Gerade jetzt, wo alles so auseinanderdriftet. Dass jemand Haltung zeigt“, meinte sie, bezahlte und ließ gleich noch eine Spende da. Mich ließ sie grübelnd zurück. Mutig?

Aufkleber6

Mein Laden zeigt schon immer wie ich bin. Auch, dass ich in den vergangenen Jahren – sagen wir mal – extremer geworden bin. Die Rassisten, ja die konnten und können gerne draußen bleiben. Alle anderen stören sich ja nicht an meinem  „linksgrünversifften“ Ladenschmuck. Dachte ich. Aber ist das immer noch so? Auch ich merke, wie alles auseinanderdriftet. „They will shoot you“, warnte mich vor Kurzem ein Bekannter mit Blick auf mein „Kelheim ist bunt“-Schildchen. Erschießen? Was? Näh. „Du weißt schon, dass da einige Leute bei dir nicht mehr kaufen werden?“, fragte mein wilder Mann. Und immer öfter höre ich durch meine dünnen Schaufensterscheiben: „Refjutschis wellkamm – so a Schmarrn!“

Was ist denn los? Ist es denn nicht mehr normal, sich gegen Rassismus auszuprechen? Und für Flüchtlingshilfe? Ist das tatsächlich extrem links? Und muss man dieses „links“ meiden?

Fakt ist, im Gegensatz zu den Aufklebern auf dem Auto meines Mannes, halten die in meinem Laden nichts zusammen. Vielleicht spalten sie ja sogar. Vielleicht trennen sie die einen von den anderen. Aber wen von wem?

Meines Erachtens sollten – so wie es gerade überall geschieht (Helene Fischer, chapeau!) – viele viele Menschen, bei allen möglichen Gelegenheiten öffentlich ausdrücken (laut, sehr laut), dass es selbstverständlich ist, kein Rassist zu sein. Dass die Mitte der Gesellschaft nicht rassistisch ist. Dass die Mitte ein friedliches Zusammenleben will, in einem demokratischen Europa. Dass ein „refugees-welcome“ immer noch gilt. Und dass man mit einem derartigen Aufkleber nicht linksversifft ist, sondern einfach nur – keine Ahnung – ein Teil dieser Mehrheit.

In meinem Laden liegen übrigens seit heute „Kein Kreuz der AfD“-Flyer der Initiative gegen Rechts Regensburg. Vermutlich brauche ich sie für meine Kunden nicht. Wer trotz oder gerade wegen meiner Aufkleber in meinen Laden kommt, der wählt die sowieso nicht.Aufkleber5

#wirsindmehr #bloggerfuerfluechtlinge #bayernbleibtbunt