Zeit für den zweiten Flügel

In meiner Werkstatt hängt ein Selbstbildnis von mir. Darauf ist folgendes zu sehen: Rund um meine sehr schlecht fotografierte, viel zu dunkle Gesichtsfläche kleben Schnittmuster als Haare und Pulli (mit einem Ärmel). Dazu habe ich gezeichnet: Zwei Beine, einen Arm, Tassen, Töpfe, Vasen, einen Mann auf meiner Schulter, einen Flügel, eine Flosse, einen Löwenschwanz und Schuppen. Ideen tropfen mir aus dem Ärmel und fliegen aus der rauchenden, knarzenden Fabrik in meinem Kopf. Auf meinem Arm steht: „Das ist ein Kostüm“.

Genau so würde ich mich heute wahrscheinlich nicht mehr darstellen. Aber ähnlich. Als eine Person, die versucht, vieles zusammenzubringen. Schreiben, Theater, Kunst, Keramik. Als eine Person, die alles gleichzeitig haben will.

Obwohl ich schon lange weiß, dass das nicht geht. Diesen Anspruch kann ich nicht erfüllen. Ich scheitere. Wieder und wieder im Versuch, alles zu machen und vielleicht noch ein wenig mehr.

Aber mit einem Flügel kann ich nicht fliegen, mit einer Flosse nicht schwimmen, mit einer Hand nicht töpfern. Meine Ideen verflüchtigen sich oder versickern.

Die Erkenntnis ist bitter: So geht es nicht mehr weiter. Ich muss etwas sein lassen.

Und es wird die Keramik sein. Meine Werkstatt, mein Laden. Zum 1. Oktober bin ich raus.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Und dann? Dann werde ich endlich meinen Sch… gebacken kriegen und mich auf etwas anderes konzentrieren. Vielleicht wächst mir ein zweiter Flügel. Oder eine zweite Flosse. Vielleicht scheitere ich auch wieder. Ihr kennt mich: Ich werde berichten.

Und nun! WICHTIG! WICHTIG! WICHTIG!

Für meine Werkstatt – perfekte Räume, perfekter Laden, perfekte Miete, perfekte Vermieterin – suche ich eine*n Nachmieter*in. Oder zwei, oder mehrere. Keramiker*innen vor! Kreative vor! Eine Ateliergemeinschaft wäre sehr gut möglich. Also: Wenn ihr jemanden kennt, oder jemanden kennt der jemanden kennt… schreibt mir!

Nicht da – aber anders

Vor einigen Tagen war ich in einer Gärtnerei. Ich hatte mich im Vorfeld nicht über die Öffnungszeiten schlau gemacht und war deshalb ziemlich betreten, als da an der Tür der Zettel hing: Montag – geschlossen, Dienstag – geschlossen, Mittwoch – geschlossen, Donnerstag – 8Uhr bis 13 Uhr, Freitag – geschlossen. Es war Dienstag. Mist. Die Gärtnerin war aber trotzdem da. So ein Glück. „Wie schön, dass Sie sich jetzt für mich Zeit nehmen. Wo Sie doch eigentlich gar nicht geöffnet haben“, freute ich mich. „Wissen S'“, antwortete die Gärtnerin „ich bin halt oft unterwegs und nicht da. Aber wenn ich da bin bin ich da und dann ist das auch kein Problem“.

Und ich fand das sofort sympathisch und nachahmenswert. So eine Einstellung hätte ich auch gerne, bekomme ich doch oft genug zu hören, dass ich meinen Laden ja quasi nie geöffnet hätte. Zumindest dienstags nie. Stimmt. Dienstags war ich bisher immer anderswo arbeiten. Aber das weiß man ja nicht, wenn man vor meinem Laden steht. Man sieht die dunklen Schaufenster und die geschlossene Tür und denkt sich: „Die hat’s wohl nicht nötig zu arbeiten.“ Doch. Und deswegen war dienstags bisher zu.

Ab kommender Woche ist das anders. Ab kommender Woche gibt’s neue Öffnungszeiten! Ab kommnder Woche habe ich mittwochs geschlossen, um anderswo zu arbeiten.

Und ich freue mich schon auf die Massen an Menschen (es müssen wirklich Massen sein), die jetzt dienstags in meinen Laden kommen, erleichtert, dass ich endlich mal da bin! Naja, außer es stehen dringende Termine an, oder ich bin krank, oder ich bin unterwegs… Aber wenn ich da bin, bin ich da.

Der Elefant im Sprichwort

Eine Freundin von mir hasst Elefanten.

Zu groß sind sie, zu erdrückend. Andere Menschen finden Elefanten dagegen super. Sie sind exotisch, stark und – ja doch – knuffig irgendwie. Könnte sein, dass da Walt Disney mit seiner Dumbo-Verfilmung einige Weichen gestellt hat. Ich persönlich fühlte mich wegen der großen Ohren als Kind durchaus in einer Leidensgenossenschaft mit Dumbo und es wird mir ein elefantengleiches Gedächtnis nachgesagt, doch in Ton verewigen wollte ich diese Tiere bisher nie.

Mir fehlte der Bezug – der Aufhänger. Klar, als Keramikerin ist man sofort bei „der Elefant im Porzellanladen“ (hihi) aber… näh.

Bis mir dann die Bezeichnung „der Elefant im Raum“ begenete. Keine Ahnung mehr, wo. Ist auch egal.

Die Metapher kommt wohl aus dem Russischen und ist über den englischsprachigen Raum zu uns gekommen. „Der Elefant im Raum“ bezeichnet ein offensichtliches Problem oder Thema, das zwar im Raum steht, das aber trotzdem von den Anwesenden nicht angesprochen wird.

So weit, so gut. Diese Formulierung hat die letzten Jahre einen tiefen Elefantenschlaf in meinem Unterbewusstsein gehalten und ist vor ein paar Wochen wieder an die Oberfläche gekommen, wie ein Elefantenrüssel, der… ah, jetzt wird’s schon arg schräg und bemüht mit den Formulierungen.

Offensichtliche Dinge oder Probleme, die wir nicht ansprechen. Da gab’s in letzter Zeit in meinem Umfeld so einiges. Und ich werde jetzt nicht verraten, was, denn es gibt Gründe, warum ich den Elefanten im Raum ignoriert habe. Meinstens, um niemand anderen zu verletzen. Manchmal, um nicht als blöde Meckerziege dazustehen oder um nicht als Klugscheißerin zu gelten.

Es hat sich also etwas aufgestaut – und es musste raus. Rein in den Ton.

Nicht ganz so groß, wie nötig. Dafür so groß wie möglich. Anzusehen sind zwei davon vom 26.Ausgust bis 04.September 2022 bei der Jahresausstellung der Gruppe Kunst. Und ja, ich weiß… sprechen wir nicht drüber, bitte.

Alles sauber

Vor Kurzem hatte ich einen kleinen Ausflipper auf facebook.

Ich hatte das Gefühl, die Hausarbeit wächst mir über den Kopf, die Termine sind zu viel und sowieso bin ich total überfordert – mit allem.

„Schreib dir doch einen Essensplan“, kam der Ratschlag. Ein guter Ratschlag. Sofort habe ich mich hingesetzt und geplant. Denn das mache ich mittlerweile in vielen Bereichen. In der Werkstatt (was töpfere ich heute?), in der Schule (was töpfern die Kinder heute?), in Sachen Fitness (wie hoch hüpfe ich heute?), sogar was den Haushalt angeht hab ich mir die Hilfe einer Instagramseite namens „ordnungnebenbei“ geholt. Letztere schreibt mir einen Wochenplan mit Aufgaben wie: „Lichtschalter putzen“ oder „eine Badschublade ausmisten“ oder „Winterkleidung verräumen“. Eine super Sache ist das mit diesen Plänen. Endlich sind die kaputten, rosaroten Haarklammern von vor 12 Jahren da, wo sie hingehören – im Mülleimer.

Und so zerteile ich meine Tage in dafür vorgesehene, supereffektive Zeiteinheiten. 20 Minuten hier putzen, 45 Minuten da einkaufen, eine halbe Stunde im Garten, 40 Minuten Sport, 45 Minuten Mittagspause, 60 Minuten Internet (haha, das ist gelogen!), mittwochs bügeln, freitags fernsehen. Das macht unser Haus sauber(er zumindest), den Garten passierbar und meinen Körper definiert.

Wenn dann noch Zeit übrig ist, dann – so der Plan – mache ich das, was ich am besten kann. Würde ich diese Zeit in den Terminplaner eintragen, stünde da „kreativ sein“. Und, was soll ich sagen, das funktioniert ja mal GAR NICHT.

Denn während ich versuche, meine alltägliche Überforderung mit Plänen in den Griff zu kriegen, lässt sich meine kreative, gedankliche Überforderung überhaupt nicht ordnen. Im Gegenteil. Je mehr ich meinen Alltag strukturiere, desto wütender wird das Chaos in meinem Kopf. Ich will alles machen und alles gleichzeitig und alles sofort. Ich will schreiben und töpfern und – oh bitte – Theater spielen! Malen vielleicht noch. Linolschnitt sowieso.

„Und dann auch mal nichts tun und vor sich hinschauen“, soll Astrid Lindgren gesagt haben. Das auch noch. Wann soll ich das denn noch machen? Vor dem Lichtschalter putzen oder danach?

Ich male mir Mindmaps – denn es ist ja nicht so, als würde ich die Kniffe nicht kennen.

Aber auch das bringt keine Zeile aufs Papier und kein Dekor auf meine Keramik. Und so mache ich weiter das, was ich schon immer gemacht habe. Ich wurschtle. Ich wurschtle mich durch. Aber wenigstens mit sauberen Lichtschaltern.

Verschlankt

Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne viel mache. Also viel Verschiedenes. Und dass ich auch immer meine, alles machen zu müssen, was geht.

„Töpfer doch mal was für den Garten – Pflanzkübel oder so.“

„Weißt du, ich hab da neulich eine Vase gesehen, mit einem ganz tollen Blumenmuster. Könntest du…“

„Kleine Vogerl als Deko: Das würde sich gut verkaufen.“

„Machst du Duftlampen? In blau wäre schön.“

Und manchmal sind es nicht nur andere, die Ideen an mich herantragen. Oft sehe ich auch selbst Sachen, die mich inspirieren und die ich umsetzen möchte. So wie im vergangenen Jahr, als ich beschlossen habe, endlich Steinzeugton auszuprobieren. Das lief auch super und ich habe mittlerweile zweidrei zusätzliche Serien, die ich ganz gelungen finde.

Leider hat die Sache aber einen Haken. Ich mache viele viele unterschiedliche Dinge (tatsächlich neuerdings auch Duftlampen in blau) mit unterschiedlichen Tonen, die alle unterschiedlich behandelt werden wollen. Beispiel: Das hier

will ganz anders behandelt werden als das hier

Die Glasuren, die Brenntemperaturen – alles unterschiedlich. Und das führt dazu, dass ich Probleme habe, meinen Bestellungen nachzukommen. Irgendwas bleibt immer liegen oder muss warten. Und das in einer Welt, in der man was auch immer man haben möchte, mit einem Mausklick zwei Tage später vor der Haustüre liegen hat. Da kann ich nicht mithalten. Im Gegenteil, ich werde mit meinem zerfransten Angebot nur langsamer und langsamer.

Deshalb habe ich beschlossen, mich besser auf eine Sache zu konzentrieren. Mein Angebot zu verschlanken. Künftig möchte ich keine Bestellungen mehr annehmen, die mit rotem oder schwarzem Ton gearbeitet werden (also die obere Reihe).

Nicht erschrecken, bitte. Natürlich wird es auch weiterhin Füchse geben und Kräuterstecker und Gscheidhaferl. Aber termingebundene Bestellungen gehen einfach nicht mehr. Ich bitte um Verständnis.

Dafür gibt es viel Neues. Viel schneller.

Wia schaudn des aus?

Manchmal, da fällt’s mir auf, dass in meinem Kopf eine andere Stimme spricht. Ja, das klingt ein wenig so, als wäre ich nicht ganz dicht, ich weiß. Aber soetwas wie Lebensweisheiten, Tipps oder Eselsbrücken, die mir mal gegeben wurden, spult mein Kopf gerne in der „Originalstimme“ ab. Heute hat sie gefränkelt – wie eigentlich immer, wenn ich Henkel ziehe.

Henkel ziehen gerhört zu den Aufgaben meines Berufs, die ich nicht mag. Weil man einfach so viel versauen kann. Und ist ein Henkel dann an der Tasse/ am Krug/ am Reindl, dann frage ich mich oft, ob mein ehemaliger Drehlehrer damit einverstanden wäre. „Wia schaudsn aus?“, würde er fragen, wäre ich immer noch in der Dreherei der Keramikschule. „Zeich amal her.“ In schönstem Fränkisch, selbstverständlich.

„Da muss ma scho schaugn, dass der Hengl genau gegenüber von der Schnaube is. – Am besten nimmst a graads Steggala. Sunsd werd des nigs.“ Also schaue ich, dass der Henkel gegenüber der Schnaupe ist, dass meine Markierungen ordentlich sind – „Zwa Driddl, an Driddl – der Goldene Schnidd hald“ und dass alles gut aufgerauht und vorbereitet ist. Dann geht’s ans Ziehen. „Glaichmäßich. Mit a bissele Drug. A weng schnella, sunst werd der so lädscherd.“ Beim Angarnieren, dann wieder die Frage: Hat er einen schönen Schwung, oder sieht er ungleichmäßig aus? Ist er zu nahe am Krug, oder zu weit weg? „Mei Hand soll den haldn kenna“. Und er hatte riesige Hände, mein Lehrer. Ist das Profil so, dass der Krug gut in der Hand liegt? Passt der Abschluss? „Grad ist der fei ned.“, höre ich die Stimme in meinem Kopf.

„Etz bist staad!“, antwortet meine eigene Stimme auf niederbayrisch. „Des basst scho so.“

Anmerkung: Ich liebe den fränkischen Dialekt. Wirklich. Ich bin mir bewusst, dass „mein“ Fränkisch kein „Originalfränkisch“ ist. Aber so frängld es hald in meim Schädl drin.

Social Verwirrung

Ach, ich hab es geahnt!

Diese Sozialen Medien sind ein gefährliches Suchtmittel. Denn sie sind wie gemacht für mich und meine mitteilsame Natur. Gut, ich versuche ein Auge drauf zu haben – aber ich nehm das schlechte Auge, das sieht nicht so viel.

Und eigentlich, eigentlich mache ich das ja nur wegen der Keramik und der Schreiberei, dem Theater und der anderen kreativen Dinge… genau. Die privaten Accounts MÜSSEN sein, sonst gehen die geschäftlichen ja nicht. Ihr merkt, ich lüge mir in die eigene Tasche.

Tatsächlich habe ich ich das aber ursprünglich wirklich begonnen, um meinen Wolperdingen (also der Keramik, der Schreiberei, dem Theater und den anderen kreativen Dingen) ein bisschen Publikum zu verschaffen. Das hat bisher auch alles ganz gut geklappt. Mit diesem Blog und der Facebookseite.

Jetzt wurde aber schon länger angemerkt, dass meine Zielgruppe sich die nächste Plattform Untertan gemacht hat: Instagram. Die Jüngsten sind längst schon weitergewandert – die nicht mehr so Blutjungen sind eingezogen und wollen – so wurde mir gesagt – auch gerne mit Wolperdingen versorgt werden.

Nun gut, also wühle ich mich durch „feeds“ und „storys“, like, abonniere… was man halt so macht. Und es überfordert mich total. Denn sobald ich etwas zu berichten habe, komme ich durcheinander.

So habe ich zum Beispiel neue Sachen in meinem Laden. Neuer Ton, neue Glasuren. Wie hier auf dem Blog versprochen. Oder war es auf Facebook? Ich erinnnere mich nicht mehr… egal. Die neuen Sachen sind da. Dazu ein Foto bei Instagram, ein kleiner Post auf Facebook, ein Blogbeitrag. Hierhin verlinkt, da ein Hashtag, dort ein @. Und bitte nicht immer das Gleiche. Das langweilt.

Also, welches Foto zeige ich euch? Das hier?

Das war schon auf Instagram. Oder? Oder Facebook? Oder? Ich habe nichts drüber getwittert, soviel ist sicher (und es wäre auch egal, da hab ich eh keine Reichweite).

Auf jeden Fall: Das sind meine neuen Sachen. Die ersten ihrer Art. Details davon gibt’s auf Facebook, ab und zu auch mal ein Foto davon auf Instagram (@wolperdinge). Und definitiv alles zum Anfassen in meinem Laden.

„Wann hast du denn eigentlich immer geöffnet?“, sagte letztens eine Kundin. „Du brauchst wirklich einen Google-Eintrag.“ Einen was? Jetzt auch noch Google? Ich bin mir nicht sicher… ich glaube ich… entschuldigung, ich muss kurz… das Internet löschen.

Was dauert denn da so lange?

Der Sommer ist da, die Corona-Infektionszahlen sind niedrig und die Leute haben wieder Lust auf nen Einkaufsbummel in der Altstadt. Was für ein Glück für mich! Hätte ich doch, ja hätte ich noch was zu verkaufen.

Doch doch, ich hab schon noch was. Aber die Auswahl an Tassen, Tellern und Schüsseln ist in den vergangenen Monaten arg geschrumpft. Das Schaufenster zieren immer noch Teller mit Herbstmuster – das kann jetzt bis Herbst auch so bleiben.

Die Tatsache, dass meine Ware langsam ausdünnt, liegt daran, dass ich dabei bin, meine Produktion umzustellen. „Während des Lockdowns geht das schonmal. Hab ja eh nicht geöffnet, kommen eh nicht so viele Kunden“ – dachte ich. War aber nicht so. Die Kunden kamen trotz Maskenpflicht und click and collect and meet and greet. Wieder großes Glück für mich!

Aber jetzt stehen da halt die neuen Glasuren und die Rohlinge aus neuem Ton. Und die wollen alle ausprobiert werden. Alle. Und dann muss es mir auch noch gefallen. Und dann muss es auch noch durch einige Tests.. Was soll ich sagen, ich bin mittendrin.

Und ich bin noch nicht zufrieden.

Es kann also noch dauern. Mein Laden füllt sich nur langsam. Ich baue auf eure Geduld. Es wird superschön, das verspreche ich!

In der Zwischenzeit

Es gibt Zeiten, da ist es mit den Töpfersachen wie auf einer Busreise vor Reiseantritt. Die meisten sind da – pünktlich zu bestellten Termin – um in den Ofen zu wandern und gebrannt zu werden. Und dann müssen sie rumstehen und auch noch auf den letzten Topf warten, der trocknen muss. Der hat’s zeitlich nicht auf die Reihe bekommen und einen noch nicht durchgetrockneten Boden oder einen noch anzuschlickernden Henkel. Das dauert und hält die ganze Gruppe auf.

Ich als „Reiseleiterin“ hab dann ein schlechtes Gewissen. Gegenüber den Kunden, die auf ihre Bestellungen warten – obwohl sie mir versichern, dass es nicht eilt. Irgendwann ist es auch mal gut, ich weiß.

Andererseits habe ich in der Zwischenzeit auch ein wenig Leerlauf. Den könnte ich jetzt füllen mit Werkstatt putzen, Laden frühlingshaft dekorieren oder Gartenkeramik herstellen. Aber – nein. Ich mache etwas, auf das ich mich seit Wochen freue und das ich ehrlich gesagt ohne Leerlauf und Lockdown nicht machen würde:

Ich teste neuen Ton. Ich hab mir Material bestellt, das ich unbedingt ausprobieren will. Das ist aufregend. Eine Reise mit einem neuen Ziel. Meine kleine Individualreise. Die Busreisen kommen noch früh genug wieder. Wenn der Topf dann endlich mal trocken ist. Montag wahrscheinlich. Wahrscheinlich kann der Bus Montag endlich losfahren.

Und: Tritt!

Als Selbständige hast du viele Vorteile im Arbeitsleben. Du kannst deine Arbeit so gestalten wie du willst. Du kannst bestimmen, was du wann und mit wem machst und wann du frei brauchst. Kein Thema, du bist deine eigene Chefin. Aber eine Bekannte meinte mal: „Als Selbständige muss du dich jeden Morgen selbst in den Arsch treten.“ Und damit hatte und hat sie vollkommen Recht. Das übernimmt niemand für dich. Und wenn ich ehrlich bin: An manchen Tagen ist das Bein für den Arschtritt bleischwer und lässt sich nicht heben. Als würde was dranhängen. Ein Lockdown zum Beispiel.

„Zu Hause bleiben“ ist die Devise. Und warum auch nicht? Die Kinder sind zu Hause. Das Wetter ist schlecht. Das Geschäft ist geschlossen. Die Aufträge… gut, da müsste ich was machen, aber jaaa… das schaff ich schon noch. Das ist ja schnell erledigt. Und dann? Dann wird’s schon irgendwie weitergehen. Aber es ist doch so: Kein Hahn kräht danach, ob ich in meiner Werkstatt bin, oder nicht.

Merkt ihr, wie schwer dieses Bein ist? Und dann hab ich es trotzdem einfach gemacht: Also mich getreten. Es war ein Kraftakt, aber es hat sich gelohnt.

Mein Beruf hat viele Vorteile. Einer davon ist, dass es Tätigkeiten gibt, die einen zwingen, sich zu fokussieren und gleichzeitig den Kopf leer zu machen. Nichts Zusammenhängendes denken zu müssen. Einfach machen. Und noch eine. Und noch eine. Und noch eine.

Egal wie es weitergeht. Egal wie das Wetter ist. Egal was noch zu tun wäre. Ich mach das jetzt. Lockdown hin, Lockdown her. Und morgen geh ich wieder hin.