Es geht nach oben

Wo zum Kuckuck ist sie, wo es so dermaßen heiß ist?

In meiner Werkstatt im niederbayrischen Kelheim – wo sonst? Und das ist auch nicht die Raumpemperatur, sondern die Temperatur in meinem Brennofen, während er sich gemächlich auf über 1200 Grad hochschuckert. Aber ihr wart vielleicht doch kurz bei dem Gedanken, dass diese Temperaturanzeige etwas mit dem heißen Sommer zu tun haben könnte, oder? Hat sie auch – nur irgendwie anders.

Es ist heiß – wem muss ich das erzählen. Und allen Klimawandelleugnern und „Früher war es auch schon warm“-Fuzzis sei gesagt: Wenn ihr euch nicht anständig informieren wollt, kann ich euch auch nicht mehr helfen. Fakt ist: Der Klimawandel ist real und extreme Hitzeperioden und Wasserknappheit werden sich häufen. Wir leben weit über unsere Verhältnisse, verbrauchen zu viel und… ach, kurz gesagt: Wir verkacken’s ordentlich.

Das alles wäre schon lange ein Grund, das eigene Verhalten zu ändern. Sich einzuschränken. Zu sparen. Aber wenn wir ehrlich sind: Naja, er ist halt nicht greifbar, dieser Klimawandel. Also nicht für uns satte Mitteleuropäer zumindest.

Wir reagieren erst, wenn wir die Konsequenzen unseres Handelns zu spüren bekommen. Wenn zum Beispiel aufgrund eines Krieges unsere Energiekosten explodieren, oder aufgrund der Dürre die Lebensmittelpreise steigen, oder aufgrund der Inflation alles teurer wird, oder aufgrund von Alldemscheißdreckzusammen wir unseren Status Quo nicht mehr werden halten können.

Von allen Seiten kommen jetzt die Spartipps. Und ich finde, das ist auch richtig so. Ich finde, wir hätten uns schon viel eher damit beschäftigen können, wie wir Energie einsparen können, wie wir weniger Benzin verbrauchen, oder wie wir insgesamt ressourcenschonender leben können.

Da nehme ich mich nicht aus. Bei mir waren beispielsweise bisher die Schaufenster bis spät in die Nacht noch hell erleuchtet und der Brennofen in meiner Werkstatt lief eben, wann er laufen musste – zur Not auch halb leer. Ja, der Brennofen mit seinem Starkstromanschluss und seiner verschwenderischen Leistung von 13,5kW ist jetzt so etwas wie mein Energiesorgenkind.

Im Ernst: Ich weiß nicht, wo das alles noch hinführt. Kann sein, dass ich den Preis für das Luxusprodukt „handgemachte Keramik“ anheben muss, um weitermachen zu können. Kann auch sein, das die Kunden dann entscheiden, dass sie beim Luxusprodukt „handgemachte Keramik“ noch Einsparpotenzial haben. Kann sein, dass ich dann durchs Raster falle.

Aber noch stehe ich. Und heize den Ofen hoch. 1240 Grad und es wird noch heißer…

Vorsicht bissig!

Ich bin ein Muttertier. Mal mehr, mal weniger. Mal gluckend, mal wärmend, mal vorauslaufend. Momentan ist das Muttertier in mir stark – und bissig. Und das nur wegen Fridays For Future.

Ihr wisst schon, diese Klimaschutzbewegung, die ein kleiner Teil der Bevölkerung richtig gut findet, ein ebenso kleiner Teil nicht so toll (freundlich ausgedrückt) und die Mehrheit irgendwie noch nicht genau weiß wie sie das alles überhaupt finden soll.

Man müsste schon… ja sicher, aber… Es ist alles voller „ja, abers“.

Ja, aber Klima schützen wollen und dann in den Urlaub fliegen. Das geht doch nicht. Ja, aber demonstrieren und gleichzeitig ein Handy haben. Das geht doch nicht. Ja, aber laut nach der Politik krähen und nicht auf Fleisch verzichten… oder noch schlimmer: Vegan leben, aber heizen. Doppelmoral, unglaubwürdig, Scheißdreck.

Darauf will ich jetzt gar nicht weiter eingehen, weil ich biblisch werden müsste. Und bissig. Das Muttertier kommt durch. Ich bin spaßbefreit. Total.

Weil ich meine Kinder beobachte. (Ups, nein, sie mögen nicht mehr „Kinder“ genannt werden) Also die beiden Jugendlichen, die mit meinem Mann und mir unter einem Dach wohnen. Sie entwickeln sich gerade zu Ökos. Was geht, wird mit dem Fahrrad oder dem Bus gefahren. Plastiktüten kommen nicht mehr in die Tüte. Genausowenig wie Plastikhefteinbände für Schulhefte. Dann meckert der Lehrer eben – na und? Es gibt kaum noch Fleisch bei uns zu Hause und wage es ja nicht, Mutter, die Lebensmittelreste nicht zu verwerten! Neue Klamotten? Wäre doppelt cool, wenn sie bio und fair wären. Und ich werde wahrscheinlich niehiehie nach Schottland in den Urlaub fliegen können, weil ich den gesamten Urlaub den vorwurfsvollen Blick meiner Tochter ertragen müsste. Sie gründen und engagieren sich in Umweltgruppen, malen Plakate, sammeln Unterschriften.

Upgrade to bike

Mit ihrem selbstgemalten Schild am Fahrradkorb fährt meine Tochter durch die Stadt.

Jeden Abend schauen sie die Nachrichten mit uns. Sie fragen nach, bilden sich ihre eigene Meinung, diskutieren, insprireren und lassen sich inspirieren. Ich liebe es!

Und das ist nicht mein Verdienst, oder der Verdienst irgendeines Erwachsenen. Fridays For Future (und zuvor schon der Protest gegen diesen „Internetartikel“ 13) hat meine Kinder – also die Jugendlichen, die bei uns wohnen – zu interessierten, engagierten Menschen gemacht. Klar scheitern sie und natürlich sind sie nicht perfekt. Sie haben Handys und essen Gummibärchen aus Schweinegelatine. Aber hey, sie tun mehr als die ganzen Erwachsenen, die von der Couch aus rumblöken und meinen, sie müssten nichts fürs Klima tun, solange sie den Klimawandel ignorieren oder kleinreden können.

Und genau bei diesen Leuten bleckt das Muttertier in mir die Zähne. Wenn sich so Spezialisten im Internet, in Fernsehsendungen oder an Stammtischen über Fridays For Future lustig machen, machen sie sich auch über meine Kinder lustig. Über die Bemühungen, Anstrengungen und all das Positive, das das ganze schon gebracht hat. Und das. macht. ihr. nicht. Ihr macht meine Kinder nicht klein!

Schließlich sind die einzigen, die sich über Kinder lustig machen dürfen, die eigenen Eltern! Beim Thema Klima bin ich davon momentan meilenweit entfernt.

Und wehe, irgendwer erdreistet sich dann doch, meine Kinder zu verspotten. Immer raus mit der Sprache. Kommt her! Das „Warnung vor der bissigen Mutter“-Schild am Gartenzaun könnt ihr getrost übersehen. Es ist nicht ernstgemeint. Ich will nur spielen. Nicht. Grrrrr

Absolut

Eine der Eigenschaften, die der Jugend zugeschrieben werden ist, dass sie oft absolut ist. Ganz oder gar nicht, gut oder böse, schwarz oder weiß, Grünkern oder Pizza. Es gibt nichts dazwischen. Deshalb fällt es vielen Jugendlichen auch so leicht, sich ein Pappschild zu malen und auf freitäglichen Demonstrationen „climatejustice now“ zu fordern. Konsequentes Handeln.

Ja, aber…

„…zu welchem Preis für die, die nicht so viel Geld haben?“, fragen die Erwachsenen. Und „habt ihr auch an die Konsequenzen für die Wirtschaft gedacht?“ Manche von uns Erwachsenen tun sich schwer, mit solchen absoluten Sachen. Vielleicht kennen wir jemanden, der im Kohlebergbau oder bei einem Automobilzulieferer arbeitet und um seinen Job fürchtet. Vielleicht möchten wir für Urlaubsreisen keine Unsummen ausgeben müssen und unseren Kindern trotzdem die weite Welt zeigen können. Wir wissen, dass die Dinge niemals schwarz oder weiß sind. Deshalb zögern viele, wenn es darum geht, für etwas auf die Straße zu gehen. (Na klar gibt es auch diejenigen, denen alles wurscht ist. Die sich selbst und ihre Umwelt nicht hinterfragen. Die sieht man ab und zu schon auf der Straße – aber dann halt nicht für Umweltschutz oder Weltfrieden, sondern um Krawall zu machen und zum Beispiel gegen Ausländer zu hetzen.)

Ich habe mir auch lange schwer getan, zu Demonstrationen zu gehen. ich dachte immer, ich müsste erst alle Antworten auf alle auftauchenden Fragen beantworten können, jede Eventualität bedacht haben und argumentativ keinesfalls angreifbar sein, um mitdemonstrieren zu können. Aber ich habe erkannt – das muss ich gar nicht. Ich habe einen Weg gefunden, wie ich mich trotz der auftauchenden Einwände oder differenzierten Betrachtungsweisen für etwas einsetzen kann. Ganz einfach: Ich habe mich auf den wesentlichen Kern der Sache konzentriert. Worauf es mir persönlich ankommt.

Ich spreche mich laut aus, für Flüchtlingshilfe, gegen Abschiebungen und für Seenotrettung – obwohl ich weiß, dass Migration auch mit Schwierigkeiten verbunden ist. Denn der Kern, um den es hier geht, ist Menschlichkeit.

Ich versuche mich für Klimaschutz und gegen Umweltzerstörung stark zu machen – auch wenn ich weiß, dass es ein harter Brocken wird, Klimaschutz sozial verträglich zu gestalten. Denn es kommt mir darauf an, den Regierenden weltweit zu zeigen, dass sie sich an diesen harten Brocken heranwagen müssen. Jetzt gleich. Weil es sonst für unsere Nachkommen unerträglich wird. „Climatejustice now!“

Das klingt jetzt so, als wollte ich mich auf einen Sockel stellen, moralisch überlegen herunterschauen und Applaus erwarten. Tu ich nicht. Ich möchte damit nur sagen:

Es ist ganz einfach, für eine gute Sache einzustehen. Keine „Wenns“ keine „Abers“ – mal dir ein Pappschild und mach mit.

FFF

Ich bin dabei, mein Laden bleibt geschlossen.

 

Die Ökotöpfertante

„Schminken Sie sich das ab! Keramiker ist kein umweltfreundlicher Beruf“, sagte einer meiner Lehrer gleich zu Beginn meiner Ausbildung. Ich habe das nie angezweifelt aber auch nie überprüft.

Und wenn ich ehrlich bin – ich habe auch nie widersprochen, wenn andere mich in die Ökotöpfertantenecke geschoben haben. Das ist ja nicht unbedingt eine Ecke, in der man sich ungern aufhält. Also ich zumindest nicht.

Aber trotzdem: Meine Rohstoffe sind in Plastik verpackt, der Ofen braucht jede Menge Strom und woher das Kobalt in meinen Dekorfarben kommt – wohl nicht aus niederbayrischen Bio-Kobaltminen mit Spitzenlöhnen und niedrigen Transportkosten.

Und doch – in mir schlummert eine Ökotante. Naja, vielleicht schlummert sie nicht, aber sie ist ein wenig blind, wenn es an die Ökobilanz der eigenen Werkstatt geht. Diese Ökotante hat nun laut jubiliert, als die Kinder das Thema Umwelt und Klima für sich entdeckt haben.

„Ich unterstütze euch! Soll ich euch eine Entschuldigung für Freitag Mittag schreiben?“, habe ich noch vollmundig bekundet – und dann doch wieder einen Rückzieher gemacht. Die Kinder einfach so auf ihre erste Demo schicken? Ganz alleine? Während ich in der Arbeit sitze und eine Plastikverpackung nach der anderen öffne.

Nein, ich muss mit. Und der Laden bleibt an diesem einen Freitagnachmittag eben geschlossen. Der Umwelt zuliebe. Und weil ich meinen Kindern zeigen will, wie sich das anfühlt, wenn man gemeinsam für eine Sache auf die Straße geht.20190704_133731

Und vorher mache ich mich mal kundig, ob es nicht doch eine niederbayrische Bio-Konbaltmine gibt, oder ob meine Rohstoffe sich nicht anders verpacken ließen. Vielleicht wird Keramiker nie ein Öko-Beruf. Aber so öko, wie es eben für eine Ökotöpfertante möglich ist. Das könnte drin sein.

#fridaysforfuture #parentsforfuture