Wunderwuzzi

Drei Stunden am Stück nur über mich selbst reden? Jeder, der mich kennt, weiß, dass das keine Herausforderung für mich ist. Eva Honold weiß das jetzt auch (ich hoffe, die Ohren haben wieder aufgehört zu bluten).

Eva ist Künstlerin. Wortkünstlerin. Und sie organisiert den Kelheimer Teil der Veranstaltungsreihe „Regensburg+Tel Aviv+ Kelheim liest ein Buch“. Die hat diese Woche begonnen und ich bin mit gleich zwei Projekten dabei: Einem Töpferworkshop und einem kurzen Theaterstück. Deshalb hat Eva mich interviewt. Wie ich wurde, was ich bin. Also zu jemandem, der töpfert und zu jemandem, der Theaterstücke schreibt – und den ganzen Kram rundrum.

Mach ich mit links, dachte ich. Und wie gesagt, reden ist jetzt nicht so mein Probem. Strukturiert reden schon eher (das wird sicher nicht leicht im Schnitt). Aber stellt euch mal vor, da sitzt eine Interviewerin, die mit jeder Frage, die sie stellt, den Eindruck vermittelt (und zwar glaubhaft!), dass sie sich wirklich wirklich interessiert. Auch noch für die zweimillionste Geschichte aus den Theaterkisten (liebe Vereinskollegen, ich hab euch alle reingeritten – Spaß). Ich schwöre, JEDE*R von euch würde anfangen zu reden, wenn er/sie das Gefühl hat, dass man ihm/ihr wirklich zuhört. Das kann sie echt gut, die Eva (und für alle, die da jetzt einen potenziell gemeinen Unterton raus- oder reinlesen wollen: Lasst es! Das meine ich so, wie ich es geschrieben habe!)

Das Schöne an so einem Interview ist – neben der schmeichelhaften Aufmerksamkeit natürlich – dass man gezwungen ist, sich ein wenig Gedanken zu sich selbst zu machen. Besonders bei so einem Thema. Und vor allem, wenn man eine Aufgabe gestellt bekommt. „Magst du morgen 5 Dinge mitbringen, die dir viel bedeuten bzw. einen Wendepunkt oder Meilenstein in deinem Leben symbolisieren?“, schrieb sie mir. Uff. Okay. Das ist ja mal ne kurze Zeitspanne. Mitgebracht habe ich schließlich mein Notizheft, das Programmheft von „Kartoffelkathi“, den Film „Romeo und Julia“ und eine „Rage against the machine“-CD. Ein getöpfertes Schiff aus meinem Laden komplettierte die 5.

Was es damit aufsich hat, das könnt ihr in Evas Podcast hören. Mir hat dieses Interview gezeigt, dass ich mich ganz anders wahrnehme, als das andere tun. Ich denk mir: Ich leb halt so. Und wenn mir eine Gelegenheit/ eine Idee/ eine Aufgabe vor die Füße fällt, dann nehm ich die. Eva bezeichnete mich als „Tausendsassa“, als Macherin. Und weil ich so komisch geschaut habe, hat sie das österreichische Wort dafür angefügt: „Wunderwuzzi“. Ich liebe es. Ich liebe Sprache. Ein Thema, über das ich noch stundenlang…

Aber halt! Erst die gleiche Aufgabe an euch: Nennt mir 5 Dinge, die euch wichtig sind.

Ansehnlich

„Die grausamen Sätze, die sie sich sonst selbst sagte, hatte ihr nun ein Fremder entgegengeschleudert: Du bist hässlich, haarig, pickelig, zu fett. Keiner interessiert sich für dich. Und obwohl sie in Wirklichkeit ein recht ansehnliches Geschöpf war, bildete sie sich jetzt ein, der Kunde hinter der Theke habe nur laut ausposaunt, was alle anderen, die Gäste an den Tischen, ihre Mitschüler, ihr Vater, ihre Mutter, ihre Schwester im Stillen dachten. Mit letzten Kräften wollte sie sich nur noch irgendwo einschließen…“

Dieser Satz stammt aus dem Roman „die Lügnerin“ von Ayelet Gundar-Goshen und beschreibt eine Situation, die wir alle kennen. Lügt nicht, ihr kennt sie auch. Ihr habt gerade mitfühlend genickt und gedacht: „Arme Maus. Ich weiß, was du meinst.“ Und vielleicht noch ein „Kopf hoch! Schau,du bist gar nicht so. Du bist ansehnlich.“ hinterhergedacht.

Der Roman aus dem dieses Zitat stammt, ist das diesjährige Thema der Veranstaltungsreihe „Kelheim liest ein Buch“. Genauer: Regensburg& Tel Aviv& Kelheim lesen.

Vom 14.03.2022 bis 13.04.2022 gibt es rund um das Buch zahlreiche Veranstaltungen in Regensburg, Tel Aviv und Kelheim.

Ich bin auch dabei. Am 19.03.2022 findet in meinem Atelier ein Töpferworkshop statt. Der Titel: „In meinen Augen bin das ich“

Meldet euch an. Ich bin gespannt darauf, wie ihr euch seht.

Fließbandjob gefällig?

Die Arbeit mit Ton ist ja wirklich unglaublich vielfältig. Schon alleine die Sparte in der ich mich bewege: Teller, Tassen, Schüsseln, Krüge… Ton aufbereiten, vorbereiten, bearbeiten, brennen, glasieren, dekorieren… Was gibt es da nicht alles zu sehen und zu erfahren für eine Praktikantin. Für meine allererste Praktikantin! (Ich bin also lesbar aufgeregt.)

Oh, ich will der Sechstklässlerin alles zeigen – alles was mir an diesem Beruf so gefällt. Doch dann grätscht mir die Vorbereitung für den Christkindlmarkt dazwischen. Und das ist – im Vergleich zu meiner sonst eher freien Arbeitseinteilung – Fließbandarbeit. Große Mengen an Tassen, Bierkrügen, Kerzenständern, Dekoration. Eins nach dem anderen, eins wie das andere.

Prakti2

Weihnachtssterne. Noch einen. Und noch einen.

Der Eindruck, den meine Praktikantin bekommen muss, ist: Uff, von wegen kreativ.

Aber, was soll ich sagen: Ich habe mit meiner ersten Praktikantin wohl einen Glücksgriff getan. Ohne zu zögern macht sie sich an die Aufgaben, die ich ihr stelle. Weihnachtsdekoration herstellen – wie Plätzchenbacken mit Ton.

Prakti1

Jede einzelne Kante entgraten.

Die einzige Abwechslung gibt’s zur Belohnung: Täglich eine kleine Übungseinheit in der „Königsdisziplin“ – dem Drehen an der Töpferscheibe (eigentlich ist es in meinen Augen gar nicht die Königsdisziplin. Aber in den Augen vieler „Nichttöpfer“ eben doch). Und das hat es in sich. Das ist gar nicht so leicht wie es aussieht.

Aber meine Praktikantin hängt sich rein. Ohne Rücksicht auf vermatschte Kleidung und schmerzende Finger.

Prakti3

Üben an der Drehscheibe

 

 

„Wenn ich noch ein wenig übe, kann ich’s vielleicht bis Freitag“, meint sie. Immer die gleichen Handbewegungen an der sich immerfort drehenden Scheibe – ist ihr das nicht zu eintönig? Manchmal ist vielleicht gerade das interessant.

Gar nicht schade

„Wann wird denn das gebrahannt?“ – „Gar nicht.“

Ich gebe zu, zuerst ist das ein Schock für meine Töpferkinder. Was? Wieso denn nicht? Wieso finden die einen Werke den Weg in den Ofen und die anderen nicht? Ganz einfach – manche sind einfach nicht dazu gemacht.

Damit Keramik gebrannt werden kann, muss sie (technisch) einwandfrei sein. Innen hohl, nicht zu dickwandig, mit Luftlöchern versehen, mit richtigem Glasurauftrag undsoweiter. In meinen Kursen lernen die Kinder, ihre eigenen Vorstellungen technisch gut umzusetzen. Das ist manchmal für alle Beteiligten ziemlich anstrengend. Die Ergebnisse können sich aber sehen lassen und zieren bestimmt noch Jahre den ein oder anderen Kaminsims.Eisbärengang

Und dann gibt es die Spielereien, die nicht für die Ewigkeit auf einem Kaminsims bestimmt sind. In der letzten Kursstunde vor den Sommerferien lässt sich zum Beispiel kein großes Projekt mehr beginnen. Na und? Dann werden eben Lehmmännchen gebastelt. Aus Ton, kleinen Steinchen, Stöcken, Blättern und allem Möglichen, das sich in der Natur findet. Schon aufgrund des Materialmixes keine gute Idee, das auf 1200 Grad zu erhitzen. Montessori Waldschrat.4JPG

Erst blicke ich in ziemlich viele enttäuschte Schnuten. Boah – jetzt wird das gar nicht gebrannt. Kacke, ey! Aber dann, nach dem ersten Tonmännchen mit Blatt-Unterhose, legt sich plötzlich ein Schalter um. Endlich einfach nur mal drauflosbauen. Ohne technische Hinweise, ohne Beschränkung. Und wenn es nicht für die Ewigkeit auf elterlichen Kaminsimsen gedacht ist, muss es auch nicht perfekt sein. Ehrlich, das alleine ist es schon wert.

„Wie schade, dass man das nicht aufheben kann“, höre ich von manchen Erwachsenen, wenn der Feuereifer der Kinder Mengen an lustigen Männchen hervorgebracht hat. „Nein“, denke ich dann. „Gar nicht schade. Manche Dinge sind einfach nicht für die Ewigkeit gemacht.“

a G’lernter a Depp

Wie routiniert ich in meinem Beruf bin, merke ich am stärksten, wenn ich Kurse gebe. Dann muss ich Arbeitsschritte erklären, an die ich gar nicht mehr denke, weil sie mir in Fleisch und Blut übergegangen sind. Dann muss ich mich zwingen den Kursteilnehmern Zeit zu lassen und nicht zu schnell zu viel zu verlangen.

„Warum wird das nicht so wie bei dir?“, höre ich manchmal, wenn sich das „bissl Rumbazeln“ doch als schwieriger erweist als gedacht.

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Kurstöpferei

„Ich mache das ja auch schon eine Weile länger als du“, antworte ich dann und füge in Gedanken hinzu: „Na waar ja a G’lernter a Depp“ (Übersetzt: Dann wäre ja ein Ausgebildeter ein Idiot). „A Depp“ deshalb, weil man sich die lange Ausbildung doch einfach schenken könnte, wenn’s ohne auch so einfach ginge. Ein vierstündiger Kurs ersetzt eben nicht eine mehrjährige Ausbildung. Und nicht die Übung. Die Übung, die Übung, die Übung.

Trozdem versuche ich meinen Kursteilnehmern so viel Töpferwissen zu vermitteln wie möglich. Das ist mir wichtig. Doch genau da – insbesondere, wenn es sich um Kurse mit Kindern oder um Schulprojekte handelt – stoße ich auch mal an meine Grenzen. Zum Beispiel, wenn Kinder eigentlich lieber beim Fußball wären, wenn sie sich verweigern oder die 90 Minuten im Werkraum mit einem Brüllwettbewerb verwechseln. Da ist’s dann Essig mit der Wissensvermittlung und ich muss schauen, dass diejenigen Kinder, die mitmachen wollen, auf ihre Kosten kommen.

„Wie machst du das?“, frage ich manchmal meine Freundin, die (wahrscheinlich weltbeste) Grundschullehrerin. „Warum ist das bei mir nie so ruhig wie bei dir?“

Dann lächelt sie, überlegt, gibt Tipps. Manchmal sagt sie sowas wie „Das lernt man im Referendariat“. Es ist ihr Pendant zu „Na waar ja a G’lernter a Depp“. Ganz dankbar nehme ich daher ihre Tipps an, übe, übe, übe und übe.

Da liegt der Hase im Knopfloch

Eine der größten Herausforderungen, die ich je gemacht habe, war ein Nähkurs.
Tatsache. Ein Wochenendworkshop an der Nähschule München. Ein Einsteigerkurs. Ganz einfach. Nur ein bisschen Nähen. Alles total easy – sogar die mitgebrachten Schnittmuster („very easy“ sogar).
Das hab ich mir so gedacht. Und dann… ja dann ist mir in diesem Kurs nicht nur einmal der eiskalte Panikschweiß ausgebrochen. Ich hatte plötzlich Knoten im Hirn, wo vorher keine gewesen waren. Ich las Anweisungen wie „rechts auf rechts ineinanderschieben“ und „knappkantig feststeppen“. Ich habe Abnäher gemacht, verdeckte Reißverschlüsse eingenäht (die sind des Teufels, des Teufels, sage ich!) und ein Knopfloch fabriziert.
Irgendwann zwischen Nervenzusammenbruch und totaler Euphorie, bin ich mit der Kursleiterin, einer Schneidermeisterin, ins Gespräch gekommen. Ich sagte sowas wie: „Wir Keramiker haben ja so unsere Schwierigkeiten, wenn es um Kurse geht. Viele Leute glauben, so ein bissl Rumbazeln wäre ganz einfach. Und nach einem halben Kurstag wüsste man ja sowieso schon alles und könnte sich bald ans erste, selbstgetöpferte Porzellangeschirr machen.“
Daraufhin erntete ich einen amüsierten Blick der Schneiderin und die Antwort: „Bei mir im Kurs merken die Leute, was sie alles NOCH NICHT können.“
Und diesen Satz würde ich damals wie heute immer noch sofort unterschreiben.
Nur, möchte ich das auch für meine Töpferkurse?
Natürlich würde ich mir wünschen, dass nach meinen Kursen (oder gerne auch schon vorher) die Leute wissen, warum man für meinen Beruf eine mehrjährige Ausbildung benötigt. Dass der Respekt gegenüber diesem Handwerk wächst.
Aber für mich ist es eigentlich das Schönste, zu beobachten, wie sich die Teilnehmer entfalten. Wie sie kreativ werden – Stück für Stück – und wie aus „das kann ich nicht“ ein tolles Ergebnis wird.
Im Gegensatz zum Nähkurs gibt es bei mir keine Schnittmuster – nur ein vorgegebenes Thema, um das es sich wunderbar ausschweifen lässt.

Der Hase im Knopfloch

Der Hase im Knopfloch

Klar könnte ich auch, wie immer wieder angefragt wird, mit allen Kursteilnehmern große Vasen oder Schalen töpfern. Genau nach Vorgabe, genau nach Maß. Dann wäre mir der Respekt vor meinem Berufsstand sicher. Denn das ist nicht so „very easy“, wie es scheint.
Meine Kurse entsprechen aber eher einem wild und frei zusammengenähten Flickenteppich, statt einer Hose mit verdecktem Reißverschluss, Knopfloch und Abnähern.
Ich liebe diese Hose. Ich trage sie oft und mit Stolz. Und ich habe größten Respekt vor allen, die das Schneiderhandwerk beherrschen. Es war ein sehr guter Nähkurs.
Und ich hoffe, mein nächster Töpferkurs bekommt ebenfalls das Prädikat „sehr gut“. Kommenden Samstag geht er los. Das Thema: „Mein Name ist Hase.“ Ich bin schon total gespannt!

nicht WAS, sondern WIE!

Gib einer Horde Kinder eine Vorgabe, wie zum Beispiel: Baue aus Ton eine Rakete oder ein UFO. Dann dauert es ein Weilchen – ein klitzekleines voller „ich weiß nix“, „hä?“, „was war die Aufgabe nochmal?“ – und schließlich heißt es in Deckung gehen. Denn die Einfälle, die dann auf dich zukommen, überrollen dich förmlich. Es ist ja wirklich kein Geheimnis, dass 14 Kinder aus dieser einen, gleichen Vorgabe 14 Objekte töpfern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Große, dicke Raketen, UFOs, die eher lebenden Organismen gleichen, Spaceshuttles und fliegende Untertassen(kaffeekannen).

Mich fasziniert an solchen Töpferkursen aber nicht nur das „WAS“ sondern vor allem das „WIE“. Denn die Art und Weise wie die Teilnehmer sich an die Arbeit machen ist ebenso vielfältig, wie das Ergebnis. Und ich schreibe deshalb „Teilnehmer“, weil ich diese Beobachtung nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen gemacht habe.

Manche gehen mit klaren Vorstellungen an die Sache, manche zögern nach jedem aufgesetzten Tonwürschtl, manche sind vorsichtig, wieder andere sehr genau und gleichmäßig. Und dann gibt es noch einige, denen diese Arbeit völlig aus den Händen zu fließen scheint. Die nicht warten müssen bis ich den nächsten Arbeitsschritt erklärt habe, sondern die ihn einfach instinktiv schon so (und außerdem richtig) gemacht haben. Naturtalente mit einem angeborenen Verständnis für das Material. Ich weiß, das klingt aufgeblasen – aber anders kann ich es nicht ausdrücken.

Da möchte ich so einem kleinen Achtjährigen zurufen: „Das ist dein Ding! Mach das! Oder  irgendetwas in diese Richtung. Dein beruflicher Weg ist vorbetoniert – klaro?“ Aber da ich weiß, wie Achtjährige dreinblicken, wenn sie einen Erwachsenen für total durchgeknallt halten, spar ich mir derartige Ausbrüche. Ich kann mich nur dann nicht zurückhalten, wenn die Eltern das Objekt ihrer Kinder mit einem gezwungenen Lächeln entgegennehmen und sich ein gemurmeltes „und was soll das sein?“ über ihre Lippen mogelt. Dann spar ich nicht mit Lob und erwähne sogar das mit dem „angeborenen Verständnis für das Material“. Und ja, auch Erwachsene können einen anblicken, als hätte man sie nicht alle. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Talent.