Verantwortung – am A…

Ich bemühe mich, nicht ausfallend zu werden. Ehrlich. Aber es fällt mir schwer.

Seit Wochen schiebe ich in meiner Werkstatt eine Überstunde nach der anderen, um ja noch rechtzeitig zum Kelheimer Christkindlmarkt die schönen neuen Töpfersachen fertig zu bekommen. Schon in den letzten Tagen zeichnete sich aber ab – das wird auch heuer nichts. Jetzt ist die Absage bestätigt. Ein großer Teil meines Jahresumsatzes hat sich in Luft aufgelöst.

Wer jetzt erwartet, ich würde auf die Entscheidungsträger*innen schimpfen, der liegt falsch. Was sollen sie denn machen? Kelheim ist derzeit Corona-Hotspot, unsere Intensivstationen sind voll, die Aussichten düster. Schon alleine aus Respekt gegenüber den Menschen, die sich den Hintern abarbeiten, um Leben zu retten, können wir keinen Christkindlmarkt mit Halligalli-Glühweinexzess verantworten. Ganz zu schweigen davon, dass es unmöglich ist, auf einem großen, öffentlichen Platz 2G zu kontrollieren.

Aber ich möchte schimpfen. Weil ich frustriert bin. Und ich frage mich ehrlich, warum noch keine Intensivpflegekraft Amok gelaufen ist, angesichts dessen, was abgeht (wahrscheinlich haben die einfach keine Energie mehr, um Amok zu laufen).

Liebe Impfskeptiker*innen,

Vielleicht habt ihr es noch nicht mitbekommen, aber: Das Coronavirus ist für euch gefährlicher, als für Geimpfte. Ihr steckt euch leichter an, ihr steckt andere leichter an, ihr habt ein 10x höheres Risiko auf der Intensivstation zu landen. Dazu gibt’s genügend Studien. Weltweit (ein banales Politik-Bashing könnt ihr also getrost stecken lassen. Schwurbelei sowieso). Das heißt konkret: Es ist eure Verantwortung. ES IST EURE VERANTWORTUNG! Wärt ihr geimpft, hätten wir diese Situation nicht. Das ist so.

Seit eineinhalb Jahren kommt ihr mir mit „Eigenverantwortung“ und schafft es aber nicht, ne Maske über Mund und Rüssel zu ziehen. Ihr redet von „Diskriminierung“ und seid aber verantwortlich dafür, dass Krebspatient*innen ihre OPs nicht bekommen. Ihr jammert über das Schicksal eurer Kinder – aber es ist euch nicht daran gelegen, die Situation für sie zu verbessern (indem man sich an Maßnahmen hält – zum Beispiel)

Deshalb – bleibt mir weg. Das meine ich ernst. Bleibt weg, denn sonst kann es sein, dass ich doch noch ausfallend werde.

Und lasst euch verf…. nochmal impfen!

Ach und nochwas: Hört auf, von der Spaltung der Gesellschaft zu reden. ICH spalte nicht. Und wenn doch, geht mir das am A…. vorbei.

Po(k)tober

Ende August schon die ersten Lebkuchen im Supermarkt? Unverschämt! Viel zu früh! Weihnachten ist im Dezember!

Für mich sind diese verfrühten Lebkuchen ein wichtiges Zeichen. Jetzt, allerspätestens jetzt sollte ich mir Gedanken zur Weihnachtssaison machen. Und im September sollte ich schon mittendrin stecken, in der Plätzchentellerproduktion.

Nun ist heuer aber – wie in so vielen Bereichen – alles anders. Gibt es heuer ein Weihnachtsgeschäft für mich? Findet ein Christikindlmarkt statt, auf dem – wie die vielen Jahre zuvor – Kunden ihre Geschenke aussuchen können? Gibt es glühweinselige Einkaufsbummel? Oder sitzen wir zu Hause und bestellen Weihnachtsgeschenke online?

Ich produziere derzeit ins Ungewisse. Aber doch für Weihnachten. Und weil es vielleicht keinen Christkindlmarkt geben wird, auf dem sich noch schnell ein Last-Minute-Weihnachtswindlicht shoppen lässt, habe ich mir überlegt, meinen Kunden einen ganzen Oktober lang (auf meiner Facebookseite) zu zeigen, was ich so zu bieten habe – im getöpferten Sinn, natürlich. Dann ist das fast wie Onlineshoppen – nur besser, weil individuell, personalisierbar, regional und … besser eben.

Sich jetzt schon mit Weihnachten beschäftigen? Nein? Doch! Schließlich liegen schon Lebkuchen im Laden. Und wenn DAS nicht heißt, dass bald Weihnachten ist, dann weiß ich’s auch nicht.

Den Anfang macht – ganz adventlich – mein „Adventskranz“. Er besteht aus zwei Teilen. Im Sommer kann der Teller oben abgenommen und der Körper als Vase genutzt werden. Im Winter passt er zum Beispiel in einen Kranz aus Tannenzweigen – oder platzsparend auf einen Tisch.

Mathematik

Ich behaupte gerne, mir fehle die logische Gehirnwindung – also der Teil des Gehirns, der sich zum Beispiel für Mathe begeistern kann. Ich schätze, das hat mit diesen Matheaufgaben zu tun, die jeder aus der 4. Klasse kennt und die alle immer irgendwie so beginnen: „Zug A fährt um sieben Uhr mit einer Geschwindigkeit von…“ Und ich schwöre, spätestens an diesem Punkt der Rechnung schaltet sich mein Denkvermögen vollständig ab. Das war schon in der Schule so und ich könnte auch jetzt – Lichtjahre später – nicht ausrechnen, wie alt der Lokführer von Zug B ist, wenn sonntags doch gar keine Züge fahren.

Seltsamerweise – ich weiß ehrlich nicht, woher das kommt – rechne ich aber im Alltag ständig vor mich hin. Schon früher auf langen Autofahrten: Wenn wir nur 10 km/h schneller fahren würden, wie viel eher wären wir dann am Ziel? Oder im Schwimmbad: Wie lange brauche ich für eine Bahn und wie viele Bahnen schaffe ich in 30 Minuten? Oder momentan in der Arbeit: Wenn ich zwei Stunden Zeit habe und eine Tasse in unter fünf Minuten schaffe… viereinhalb, wenn ich schnell bin… So geht das den ganzen Tag.

In der Arbeit ist das ausnahmsweise mal nützlich. Im November – der schweinsheißen Phase vor dem Christkindlmarkt – sind meine Arbeitstage mathematisch durchgetaktet. Jedes Gramm weniger Ton spart Materialkosten, jede Tasse, die ich pro Stunde mehr schaffe, ist eine mehr, die ich verkaufen kann. Und ich nehme das sportlich. Nein, ich mache es zur olympischen Disziplin. Wie schnell kann ich sein? Wie viele Bierkrüge kriege ich in den Ofen? Ehrlich – das ist mir unheimlich. Vor allem, weil das mein Gehirn ohne mein Zutun macht. Es rechnet. Ich frage mich, mit welcher Gehirnwindung?

Mit der trotzigen? „Du rechnest jetzt, ob du willst, oder nicht!“

Mit der mütterlichen? „Es ist nur zu deinem Besten, wenn ich das mal ganz schnell mit dir durchgehe.“

Mit der olympischen? „Rekooord! Das ist Weltrekooord!“

Die logische kanns ja wohl nicht sein.

Aber wenn das so weitergeht, bin ich bald fit für die großen Herausforderungen des Lebens: „Zug A fährt um…“ Nein, besser nicht.

was weg is, is weg

Ich befürchte, ich habe vergangene Woche eine Kundin verärgert, als ich ihr gesagt habe, die Tasse, die sie kaufen wollte – oder auch nicht, könnte nicht mehr da sein, sollte sie zu lange zögern. „Die haben Sie ja nächste Woche noch in ihrem Laden, oder?“ – „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Was weg ist, ist weg. Wissen Sie, meine gesamte Ware ist hier in diesem Christkindlmarktstand.“

Was weg is, is weg.

Die Tasse ist tatsächlich nicht mehr da. Der Rest meiner Ware aber auch nicht. In meinem Christkindlmarktstand hat es gebrannt. Nein, falsch: Mein Christkindlmarktstand ist total ausgebrannt.

Brand2

Foto: Freiwillige Feuerwehr Kelheim-Stadt

Es ist alles hin. (Wie das so kommen konnte, weiß ich immer noch nicht. Trotz aller Spekulationen, die bereits im Umlauf sind. Nur eins kann ich mit Sicherheit sagen: die Gasflasche im Stand ist NICHT explodiert. Gasflaschen sind speziell gesichert. Diese Sicherung hat funktioniert. Außerdem sähe es da ganz anders aus, hätte es eine Explosion gegeben.)

Alles weg. Locker ein halbes Jahr Arbeit vernichtet. „Du steckst das noch ganz gut weg“, meinte gestern eine Standnachbarin. Ja, vielleicht. Vielleicht hat mich das Ausmaß meines Verlusts noch gar nicht erreicht. Vielleicht wird es mich erst treffen, wenn ich in meinem Laden vor den leeren Regalen stehe und nicht weiß, wo ich anfangen soll, sie wieder zu füllen.

20181216_081757

Alles kaputt auf dem Boden meines Standes

Ich habe gestern versucht eine Bestandsaufnahme zu machen. Was ist weg? Wieviel war es wert? Das ist durchaus deprimierend. Neben meiner Keramik und den Holzschalen gab’s da noch diese praktischen Dinge, die ich über die Jahre gesammelt habe, oder die ich mir teuer kaufen musste. Meinen „Stehstuhl“ zum Beispiel. Den Teppich, der meine Füße gegen die Kälte geschützt hat, das „Standwerkzeug“ mit dem ich fast alle auftauchenden technischen Probleme im Stand lösen konnte – solche Sachen eben. Meinen Feuerlöscher! Die beiden riesigen Stoffbahnen, die ich in unserem dafür viel zu kleinen Wohnzimmer mit meiner viel zu kleinen Nähmaschine eingesäumt habe, die Werkzeugkiste meines Opas, die ich abgeschliffen und neu lackiert habe…

Dann dachte ich mir plötzlich: Es sind doch alles nur Dinge. Es hätte so viel schlimmer kommen können. Zum Glück ist niemand verletzt worden. Zum Glück hat das Feuer nicht auf andere Stände oder Gebäude übergegriffen. Der Brand passierte am Morgen und wurde schnell entdeckt. Die Feuerwehr war gleich zur Stelle. Der Stand selbst war einer der älteren (am ersten Wochenende hat’s noch reingeregnet) und der Christkindlmarkt konnte noch weiterlaufen – ohne mich, aber ich habe nur diesen einen letzten Tag verpasst. Ich hatte keine bereits bezahlten Bestellungen mehr im Stand, keine persönlichen Gegenstände, keine Einnahmen, kein Wechselgeld. ES IST NIEMAND VERLETZT WORDEN.

Und: Ich habe gestern so viel Zuspruch und Trost bekommen. Wie war das noch gleich in meinem Adventskalender: „Freunde – In der Not gehen 1000 auf ein Lot“ Mein Lot ist ganz groß und schwer von den vielen lieben Menschen, die mich gestern gedrückt haben, die mir ihre Hilfe angeboten haben, die mir geschrieben oder mich angerufen haben. Vielen Dank! Vielen lieben Dank!

Ich werde mich jetzt wieder aufrappeln, in meine Werkstatt gehen, mich umsehen und mich einem anderen Satz zuwenden: „Wos i hob, hob i“

Klappe zu – Klappe auf

Ich rede viel. Zuviel, sagen Menschen, die meine negativen Eigenschaften herausstellen wollen. Ja, stimmt. Da kommen ziemlich viele Wörter in ziemlich kurzer Zeit aus meinem Mund. Außer…

…wenn ich schlagfertig sein sollte (zwei Stunden später fällt mir dann ein, was ich hätte antworten sollen).

…wenn ich auf der Bühne meinen Text vergessen habe (weil ich einfach davon ausgehe, dass es nicht mein Text ist, der fehlt).

…wenn ich beim Frisör sitze (und da ich dort auch nicht belabert werden will, ist mein Hauptkriterium für die Frisörwahl mittlerweile die Schweigefähigkeit der Frisörin).

…wenn ich an meinem Marktstand stehe.

Soll ich, oder soll ich nicht? Klappe auf oder Klappe zu? Ich versuche nach nunmehr zehn Jahren Markterfahrung auf mein Bauchgefühl zu hören. Wenn potenzielle Kunden an meinen Stand kommen, schauen, nochmal schauen, den Kopf schräg legen und ein „schön“ murmeln, gehe ich nicht davon aus, dass Ansprache gefordert ist. Ich als Kunde mag das nämlich auch nicht. Ich würde mich gestört fühlen, wenn ich neben der kniffligen Aufgabe zu entscheiden, ob dieses oder jenes Produkt für mich interessant sein könnte, auch noch Smalltalk führen müsste. Im schlimmsten Fall würde ich mich genöigt fühlen, etwas zu kaufen. Gut, aus der Verkäuferperspektive wär’s dann ein Erfolg. Aber ich baue darauf, dass sich meine Kunden melden, wenn sie etwas wissen wollen.

Dass andere Verkäufer ganz andere Bauchgefühle haben, merke ich manchmal, wenn ich meinen „Nachbarstandlern“ zuhöre:

Nachbar (zu einem potenziellen Kunden): „Das ist schön, oder? Blumenmuster.“

Kunde: „Was kostet denn das?“

Nachbar: „Das ist wunderschön, oder?“

Kunde: „Jaja. Und das kostet wieviel?“

Nachbar: „17 Euro. Aber das ist es auch wert. Jeden Cent. Weil das Qualitätsarbeit ist. So viele in meine Branche machen nicht so tolle Sachen. Bei mir gibt es einzigartiges Design.“

Kunde: „Hm.“

Nachbar: „Ja und außerdem ist es eines meiner Lieblingsstücke. Weil es ein Unikat ist. Das gibt es nirgendwo mehr in dieser Art. Das würde Ihnen bestimmt toll stehen. Ich sag ja immer…

Ehrlich, es verwundert mich, wenn ich dann nebenan das Geld klimpern höre. Und wenn es bei mir dann mal nicht so dolle klimpert, frage ich mich schon, ob ich auch offensiver auf meine Kunden zugehen sollte.

Ich (zu einem potenziellen Kunden): „Der Bierkrug ist schön, oder? Für Bier.“

Kunde: „Was kostet der denn?“

Ich: „Da steht sogar was drauf. Ist das nicht witzig?“

Kunde: „Jaja. Und der kostet wieviel?“

Ich: „19 Euro. Aber das ist er auch wert. Jeden Cent. Weil das Handarbeit ist. So viele Töpfer machen nicht so schöne Bierkrüge. Bei mir gibt es…

– nein, ich kann das nicht!

P1030586

Ich hoffe lieber darauf, dass es unter den Kunden auch welche gibt, die – wie ich – nicht belabert werden wollen. Die streichen dann über eine Tasse, nehmen sie vorsichtig in die Hand, tragen sie ein wenig herum und fragen dann:

„Ist die spülmaschinenfest?“

Ich: „Ja.“

Kunde: „Die ist total schön.“

Ich: „Danke.“

Kunde: „Wieviel kostet die?“

Ich: „12 Euro.“

Die vielen Wörter hebe ich mir lieber auf – um Menschen damit zu nerven, die meine negativen Eigenschaften herausstellen wollen. 😉

Arbeiten – bis zur Besinnung?

Nein, ich habe diesmal kein Gedicht. Ich bin einfach nicht dazu gekommen eins herauszusuchen und drumherum zu schreiben. Leute, das war eine knüppelharte Woche für mich. Nach zehn abwechslungsreichen und durchaus schönen Tagen in meiner Christkindlmarktbude, spüre ich jeden Knochen in meinem mit Knackersemmeln gestählten und glühweingespülten Körper. Außerdem verspüre ich ein großes Bedürfnis, bis nächstes Jahr einfach mal durchzuschlafen. Ohne Weihnachten, ohne Silvester. Aber das geht natürlich nicht. Schließlich will der Stand abgebaut und der Laden eingeräumt werden. Nicht zu vergessen: Demnächst, also ganz bald, also übermorgen ist Weihnachten!

Dass nicht nur ich einen Packen Arbeit an der Backe habe, ist überall ganz deutlich zu erkennen. Leute laufen ihrer Arbeit hinterher, wollen noch ganz schnell was fertigmachen, überrennen die Supermärkte und Spielzeugläden. Immer mit dem schlechten Gewissen, dass ja eigentlich Advent ist – die „Staade Zeit“ sein sollte, man sich doch besinnen sollte. Das ist der Zuckerguss auf der vorweihnachtlichen Stresstorte. Dass man sich auch noch schlecht fühlt dabei.

Aber das muss doch gar nicht sein. Advent war schon immer eine Zeit voller Arbeit. Schließlich will ja am 24. ein großes Fest gefeiert werden. Dass da vorher keiner Fünfe grade sein lassen kann ist doch logisch! Und deshalb regt mich dieses rührselige Weihnachtsideal, das um uns herum so wehement beschworen wird, langsam ziemlich auf. Der Advent ist nicht rührselig! Und nach meinem Verständnis soll er das auch gar nicht sein. Viele dieser Lieder, die wir im Advent singen, handeln von Aufbruch, von Bewegung, von Vorbereitung.

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…

Tragt eurer Güte hellen Schein weit in die dunkle Welt hinein…

Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all…

Klingt das nach Schokoladenwerbung, in der die Familie eingeschneit bei Kerzenschein auf einer Berghütte dauergrinsend um den Christbaum sitzt? Für mich nicht. Vielmehr hört es sich nach Arbeit an. Rausgehen, verkünden, helfen, hell scheinen undsoweiter… klingt anstrengend. Dazu noch: Geschenke kaufen, Weihnachtsfeiern vorbereiten, putzen, waschen, den Baum kaufen, in der Arbeit den Jahresabschluss machen.

Versteht mich nicht falsch. Ganz und gar nichts spricht dagegen, sich im Advent auch mal kleine Ruhepausen zu gönnen. Zeit mit wichtigen Menschen zu verbringen. Das ist nie verkehrt.

Aber weg mit den ganzen schmalzigen Adventsvorstellungen, von denen man noch schneller Sodbrennen bekommt, als vom Glühwein! Und weg mit den ganzen Schuldgefühlen! Damit wir bis Weihnachten fertig sind und das tun können, was in den einschlägigen Liedern am allermeisten gefordert wird:

Freue dich!

Also los! Oh, und so ganz nebenbei sind es nun doch ein paar wenige Gedicht/Liedzeilen geworden. Scheinbar bin ich auf dem Christkindlmarkt also nicht nur mit Arbeit, Glühwein und Knackersemmeln versorgt worden – sondern auch mit vorweihnachtlichem Liedgut.

Nochmal: Freut euch!

Frohe Weihnachten.

 

Advent? Advent.

Ach, wie wunderbar waren die ersten Tage auf dem Kelheimer Christkindlmarkt! Viele viele Menschen, viel gute Stimmung, viel Trubel. Ein anständiger Christkindlmarkt gehört zum Advent einfach dazu. Nicht nur für mich, als Standlerin (für Nichtbayern: Fierantin). Glühwein, Knackersemmel, weihnachtliche Musik – ach, es ist einfach schön.

Und dann gibt es da noch die andere Seite des Advents. Die eigentliche Seite. Die habe ich am vergangenen Wochenende gefunden. In der Kirche. Kaum zu glauben, oder? Da war dieses Lied, das ich schon seit meinen Kindergartentagen auswendig kann. Und das jeder kennt – wirklich JEDER! Ich hab genau hingehört und mir ist die Gänsehaut über den Rücken gelaufen. Wieso? Einfach lesen. Einfach ganz genau lesen:

Wir sagen euch an den lieben Advent

Text: Maria Ferschl (1895–1982)

Wir sagen euch an den lieben Advent
Sehet, die erste Kerze brennt!
Wir sagen euch an eine heilige Zeit.
Machet dem Herrn den Weg bereit!
Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr.
Schon ist nahe der Herr.

Wir sagen euch an den lieben Advent.
Sehet, die zweite Kerze brennt.
So nehmet euch eins um das andere an,
wie auch der Herr an uns getan!
Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr.
Schon ist nahe der Herr.

Wir sagen euch an den lieben Advent.
Sehet, die dritte Kerze brennt.
Nun tragt eurer Güte hellen Schein
weit in die dunkle Welt hinein.
Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr.
Schon ist nahe der Herr.

Wir sagen euch an den lieben Advent.
Sehet, die vierte Kerze brennt.
Gott selber wird kommen, er zögert nicht.
Auf, auf, ihr Herzen, werdet licht.
Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr.
Schon ist nahe der Herr.

Das nenn ich mal eine ganze Reihe an Anregungen – nein, Schmarrn, Aufforderungen sind das! Da mag man rausgehen und sofort ein besserer Mensch sein, sein Herz licht werden lassen, die Güte irgendwohin tragen, sich um andere kümmern. Und dann? Dann versumpft man doch wieder irgendwie am Glühweinstand und freut sich über die heiße Tasse, die einem die klammen Finger wärmt.

Aber ein bisschen was von diesen Textzeilen ist bei mir dann doch hängengeblieben. Und ich denke daran, aus was für wunderbaren Werten unser scheinbar so gefährdetes christliches Abendland doch besteht. Sich um des Anderen annehmen. Gütig sein, sein Herz öffnen, sich freuen – nicht nur über die heiße Glühweintasse auf dem Christkindlmarkt.

Nachbarschaft

Stehen, Lächeln, Schwitzen. So ein Kunsthandwerkermarkt ist keine einfache Sache. Im Gegenteil: Ein Wochenende als „Standler“ („Standbetreiber“ für Nichtbayern) geht einem ganz schön auf die Knochen. Vor allem wenn man, wie ich, nicht so sehr in der Übung ist.

Und so habe ich mich auch bei meinem letzten Markt – dem „Festival der Sinne“ in Ratzenhofen – hinter meinem Stand so manches Mal gefragt: „Was mache ich eigentlich hier?“ Als mir in der schwülen Luft der Schweiß auf der Haut juckte, als das Gewitter alle Gäste vertrieb oder meine Knöchel vom vielen Stehen anschwollen.

Die Antwort ist selbstverständlich: Ich mache das, um meine Keramik zu verkaufen – so verdiene ich Geld. Basta.

Außerdem hat so ein Markt ja auch seine schönen Seiten. Hier hat man zum Beispiel die Gelegenheit, die unterschiedlichsten Menschen zu beobachten und mit einigen dann auch ins Gespräch zu kommen. Besonders natürlich mit den Standlern nebenan. Die können ein echter Horror sein. Oder, wie in meinem Fall: Ein echtes Vergnügen.

Auf gute Nachbarschaft

auf gute Nachbarschaft

Einige davon waren Standler-Vollprofis: Weitgereist, erfahren, freundlich. Man tauscht Anekdoten aus, fachsimpelt über „den perfekten Marktstand“ (es gibt ihn nur im Traum, den sich selbst aufbauenden, fertig eingeräumten, wind- und wetterfesten Stand mit eingebautem Klo) und hilft auch mal aus, weil das Klo eben nicht schon eingebaut ist. Gespräche übers Wetter sind immer dabei – schließlich ist das ja einer der Hauptgründe für den Erfolg eines Markts. Und ob der Markt dann tatsächlich ein Erfolg gewesen ist, wird man keinem Standler entlocken können. „Ganz zufrieden“ sind sie alle. Wie auch ich. Und triffst du mal einen, bei dem „nicht sehr viel“ los gewesen ist, kannst du dir sicher sein: Der kommt nächstes Mal nicht wieder.

Ich für meinen Teil freue mich schon auf das nächste Jahr. Auf die Leute, die Kundschaft selbstverständlich und auf die netten Nachbarn. Denn gemeinsam lächelt es sich besser.